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Aug 22nd, 2019
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  1. Guten Morgen!
  2. Um mit einer guten Nachricht einzusteigen: In Alpbach hat es aufgehört zu regnen. Der Mailbetreff ist mir ein bisschen peinlich, aber hat Ihre Aufmerksamkeit nicht verfehlt.
  3. Innenpolitisch führt gerade der pure Zufall Regie. Fast zeitgleich haben zweieinhalb Vorfälle das Ibiza-Video wieder zum zentralen Thema gemacht. In den vergangenen Wochen schien das Finca-Stück fast vergessen. Doch pünktlich zum Wahlkampfstart wurde das Buch von zwei der beteiligten Journalisten der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht. Neue Enthüllungen enthält es nicht, und es bietet eine große Enttäuschung für die Sensationslüsternen: Laut den beiden Journalisten gibt es weder Sex- noch Drogenszenen in dem Video. Wenige Tage vor der Veröffentlichung des Buches wurde bei Heinz-Christian Strache und anderen eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Eine FPÖ-Personal-Besetzung auf Vorstandsebene bei den Casinos wurde aufgrund einer anonymen Anzeige gegen die Herren im Kontext mit den Strache-Aussagen im Video verknüpft, er würde sich für eine Glückspiellizenz (für Novomatic) einsetzen. Novomatic ist Miteigentümer der Casinos. Und: Am Montag veröffentlichte die ÖVP die Spendenliste an die Partei. Große Überraschung: Milliardärswitwe Heidi Horten hatte offenbar einen Dauerauftrag an die Partei, immer exakt genau unter den 50.000, darüber hätte es den Rechnungshof gemeldet werden müssen. Ist das verboten? Nein, optisch aber unschön. Zumal offenbar erst Recherchen von Journalisten die ÖVP zur Transparenz zwang. Warum nicht gleich? Sollte übrigens auch die SPÖ rasch nachholen. Die Verbindung zum Video ist da, aber etwas schräg: Strache nennt Heidi Horten als generell großzügige Parteispenderin. Da wusste er offenbar, was viele wussten: Horten gilt als sehr spendenfreudig. Sie wird aber wohl nicht auf Intervention Straches für Sebastian Kurz gespendet haben.
  4. Neben diesem Nebenstrang ist es aber vor allem das neue Buch, das Medien und damit die FPÖ wieder beschäftigt. Dabei war es Norbert Hofer fast gelungen, eine kollektive Kurzzeit-Amnesie über das Land zu legen.
  5. Christian Ultsch hat das Buch gelesen und schreibt: „Der damalige FPÖ-Chef schlägt seiner Gesprächspartnerin vor, gleich auch noch einen TV-Sender zu erwerben. Dann blieben in diesem Bereich als Konkurrenten nur noch der „Schneebrunzer“ der Tageszeitung „Österreich“ und der ORF, den er allerdings ohnehin auf neue Beine stellen wolle, sagt Strache. Er könne sich vorstellen, einen ORF-Sender zu privatisieren. Mit Schneebrunzer ist Wolfgang Fellner gemeint. Strache pflegt den Altwiener Schimpfwortschatz.
  6. Ultsch weiter: „Den Scheiß brauch' ich nicht“, sagt Strache an einer Stelle und meint Korruption. Er sei stets sauber gewesen, das mache seine Stärke aus. In einer ersten Stellungnahme zu dem Buch fühlte sich Strache deshalb sogar rehabilitiert. Eine gewagte Interpretation. Die Fallensteller hätten es darauf angelegt, Strache über Grenzen des Erlaubten zu locken, analysieren Obermaier und Obermayer. Und bei der Aussicht, dass die „Krone“ unter seiner Kontrolle ihm zum Wahlsieg verhelfen könne, sei er eingeknickt und habe der Russin empfohlen, eine Firma wie die Strabag zu gründen und deren staatlichen Aufträge zu übernehmen. In diesem Moment war der Rubikon überschritten.
  7. Drei Mal habe der damalige FPÖ-Chef der Investorin im Laufe des Abends Staatsaufträge im Bausektor zugesagt. Und als der Begleiter der Pseudo-Millionärin nach einem Überpreis fragt, erwidert der damalige Vizekanzler in spe: „Noch mal, beim staatlichen Auftrag hast du das.“ Das Schauspielduo bringt auch noch andere Varianten wie die Privatisierung von Kasernen oder staatlichen Kunstsammlungen ins Spiel. Doch da beißt die FPÖ-Spitze nicht an, anders als beim Glücksspiel und beim „weißen Gold“.
  8. Und: „Eine Privatisierung des Wassers ist undenkbar“, sagt Strache. Ihm kommt dann aber doch eine lukrative Variante in den Sinn. Es wäre möglich, eine staatliche Struktur für den Verkauf des „weißen Goldes“ zu schaffen. Und dann könnte man zusätzlich einen Betreiber engagieren. Beide hätten dann Einnahmen: der Staat und der Betreiber.
  9. Lustiges Detail: Tatjana Gudenus, die Frau des FPÖ-Klubobmanns, sagt auf einmal zu fortgeschrittener Stunde, sie könne sich vorstellen, dass Gespräche aufgezeichnet werden. Sie schaut mehrmals länger in eine der Kameras. Strache machen die dreckigen Fußnägel der mutmaßlichen Oligarchennichte misstrauisch. „Falle“, sagt er einmal, nachdem er eine Weile in seinem Handy gescrollt hat. Doch die Gespräche über die Krone und Staatsaufträge gehen dann munter weiter. Recherchen der „Presse“ und anderer Medien haben inzwischen ergeben, dass der Wiener Anwalt M. und ein Detektiv, der Begleiter der vermeintlichen Oligarchennichte, Regie bei dem Ibiza-Video geführt haben. Doch das wollen die Autoren nicht bestätigen. Quellenschutz. Bei Anwalt M. gab es auch eine Razzia – Monate nach dem Video. Der Mann hat sicher alle Hinweise aufbewahrt!
  10. Ein besonders blöder Witz von mir machte gestern in Alpbach die Runde: Hinter dem Ibiza-Video stehen die Köpfe des Europaforums Alpbach. Sie haben damit ihr altes Ziel erreicht: Alpbach ist in diesem Jahr Politiker-frei. Übergangskanzlerin Brigitte Bierlein kommt zwar, aber quasi nur im Hintergrund. Andere Expertenminister haben ebenfalls abgewunken. Alle anderen sind schon im Wahlkampf. Sebastian Kurz, der sowas wie ein verlorener Sohn Alpbachs ist. Warum? Er war oft bis immer da, zuletzt war die Distanz zur Forumsleitung und -programmierung spürbar. Im Wahlkampf kommt er gar nicht. „In Alpbach weiß ohnehin jeder, was er oder sie wählen wird.“ Das stimmt wohl, die Alpbacher mehrheitlich Kurz, die Forumsteilnehmer eventuell nicht. Was Kurz mir nicht sagt: Die Kampagne der ÖVP ist wie folgt penibel geplant. Kurz soll immer nur bei „normalen“ Wählern zu sehen sein. Prominente und deren Seitenblicke-Veranstaltungen meidet er ebenso wie Treffen mit der oder in der sogenannten Wiener Blase, also Politikerberatern, Kommunikationsmenschen, Kunstbeglückten und Journalisten. Die bringen ihm nichts. Das ist sehr hart, aber wahr.
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