Advertisement
Guest User

Wider dem Antihedonismus

a guest
Jan 23rd, 2012
600
0
Never
Not a member of Pastebin yet? Sign Up, it unlocks many cool features!
text 7.66 KB | None | 0 0
  1. Wider dem Antihedonismus - Solidarität mit allen Gefangenen - Weggeknastet ist Kim Schmitz - Gemeint sind wir alle
  2.  
  3. Dies ist ein Apfel, der unserer Ansicht nach wohl schon länger in die Runde geworfen werden muss.  Schon seit einiger Zeit entwickelt sich das Milieu das wir als emanzipatorisch, discordianisch und weitestgehend hedonistisch einschätzten und uns dort wohlfühlten zum Teil in bedenklich staatstragende Richtungen.
  4. Dass dies sich unabhängig entwickelnden Projekten wie der Wikipedia oder der Piratenpartei widerfährt ist weder besorgniserregend noch überraschend, beim puren Chaos aber, einer der wenigen verbliebenen Keimzellen für fundamentale Kritik, kreativem Umgang mit Systemen (insb. technischer wie sozialer Natur) und Widerstand gegen Bevormundung müssen solche Umstände Grund zu großer Sorge, Reflektion und Kritik sein.
  5.  
  6. Gemeint sind hier insbesondere die verschiedenen Prozesse der Desolidarisierung die in den letzten Jahren um sich gegriffen haben. Exemplarisch wollen wir hier auf den aktuellen Fall von Kim Schmitz eingehen, obwohl Teile hiervon auch auf Assange, manche Aktionen mit dem Label Anonymous und andere zutreffen mögen. Anlass sind die Einlassungen prominenter Stimmen, die aber sicherlich nicht bloß für sich sprechen, sondern auf Resonanz stoßen.
  7.  
  8. Dem wegen Urheberrechtsverletzungen in gewerblichem Außmaß angeklagten und deswegen von den USA in Neuseeland verhafteten Kim Schmitz wird mit Verweis auf seine früheren illegalen und zum Teil definitiv auch unmoralischen Machenschaften die Solidarität verweigert.
  9. Das geschieht als O-Ton-Geber in einer Medienlandschaft die es auf "Die Bonzen" (Zumwinkel), "Die Banker" (Ackermann) und "Die Korrupten Politiker" (Wulff)  abgesehen hat
  10. - struktureller Antisemitismus inklusive http://de.wikipedia.org/wiki/Antisemitismusforschung#Struktureller_Antisemitismus - und nun aufgrund ihrer Impotenz und als Übersprungshandlung Kim Schmitz dem ob der unsicheren Zukunft aufgewühltem Mob als Beute darbietet. Dabei wird von den Medien weder die eigene Rolle hinterfragt, noch ob die Misstände generell vielleicht etwas mit Herrschaft und ihrer Reproduktion zu tun haben. Ebensowenig hinterfragt wird der Verstand der vielen Menschen, die alle möglichen Verbrecher, Kriegstreiber, Rassisten, Nazi-Kollaborateure und Mörder wählen, gewähren lassen oder sogar im Amt bestätigen, obwohl sie so ganz maßgeblich zur Situation beitragen.
  11. Gelegenheit und medialen Mehrwert gibt dabei Kims gänzlich unbescheidener und exzessiver Lebensstil, der in den gleichen Artikeln als Aufreger präsentiert wird. Antihedonismus par excellance. Als würde das bißchen Luxus was ändern. Als wäre eine protestantische Verzichtsethik angebracht.
  12. Dass hier jemand für das automatische Speichern und Ausliefern von Bitfolgen international verfolgt wird spielt dabei für die twitternde Selbstdarstellung keine Rolle. Man mag zwar spekulieren, dass es vielleicht bei Megaupload auch schattigere Ecken in den Serverfarmen gegeben haben könnte - das ist aber nicht Grund der Verfolgung.
  13. Sich hier der Aussendarstellungspflege wegen zu distanzieren halten wir für absolut inakzeptabel, es ist ein Verrat am Kampf für die Freiheit der Menschen Information frei und unkontrolliert austauschen zu können.
  14. Wir sehen uns hier nicht genötigt Kim Schmitz als Helden, Hüter der Moral und des Anstandes oder Retter sonntäglicher Filmabende zu feiern, gleichzeitig sehen wir aber nicht ein, warum er hehren Moralvorstellungen genügen müsste.  Und um Missverständnissen vorzubeugen: Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass Kim viel Gedankengut pflegt, welches verwerflich ist und auch, dass er noch weitaus mehr fragwürdige Aktivitäten am laufen hatte. Weiterhin ist uns Schmitz weder persönlich bekannt noch auf Anhieb sympathisch.
  15.  
  16. Richtig ist, dass technologisch und vom Benutzerkonzept her Bittorrent rundum die bessere Möglichkeit zum Informationsaustausch bietet. Allein, es schützt nicht vor Verfolgung durch gelangweilte Studenten bei den Servicedienstleistern der Abmahnindustrie, 
  17. es sei denn man betreibt es über TOR oder ähnliche Anonymisierungsdienste, 
  18. was wir aber ob der limitierten Bandbreite in diesen Netzen und ihrer politischen Bedeutung für eine schwere Verfehlung halten. 
  19. Wie gut man bei Megaupload vor Verfolgung geschützt wird wenn die Betreiber unter Verfolgungsdruck stehen, wird sich nun zeigen. Zugegeben sind wir nicht sehr optimistisch. Dennoch muss klar sein: Spektakulär weggeknastet wurde Kim Schmitz. Gemeint sind wir alle. Alle die, die, sei es aus finanziellen Unpässlichkeiten, Neugier, Bequemlichkeit, anderweitiger Nichtverfügbarkeit, Datenschutz- und DRM-Bedenken oder sonstigen Gründen, urheberrechtlich geschützte Bitfolgen über welchen Kanal auch immer empfangen haben, sollen verfolgt werden und der lukrativen Zweitverwertung von Monopolrechten zwangsweise Beitragen, wobei man sich keine Illusionen machen braucht das Geld käme vielleicht irgendwann bei bedürftigen Künstlern an. Die Bedrohung derartiger Banalitäten mit Knast ist eine Beleidigung jeglichen Rechtsempfindens.
  20.  
  21. Ganz ähnlich läuft die Meinungsbildung zu diversen Anonymous-gelabelten Aktionen, die mit ihren DDOS-Attacken eigentlich die historisch mildeste Form des ungehorsamen Protests darstellen. Es fliegen keine Steine, es muss kein Wasserwerfer anrücken, es geht nichts zu Bruch, es macht noch nicht einmal Lärm - lediglich ein paar Kisten sind für eine Weile nicht erreichbar.
  22. Trotzdem wird seitens vieler erfahrener Chaoten der oft legitime Protest pauschal als albern und kindisch disqualifiziert, über die technische Unbedarftheit der Aktionen gelächelt. Sicherlich gibt es bei so manchen Postionierungen unter diesem Label einiges an Unreflektiertheit, gerade bei einem solchen Gebilde verbietet sich jedoch jede pauschale Betrachtung. Gegenüber den Medien gibt man sich wieder distanziert um "das gute Bild des Clubs" nicht zu beschmutzen - vermutlich in der Hoffnung, dass das Chaos demnächst genauso Schwiegermutterkompatibel ist wie die Toten Hosen oder der TÜV. Parallel wird auf Twitter hauptsächlich über den amtierenden Bundespräsidenten schwadroniert, als ob es nichts irrelevanteres gäbe. Als ob es wünschenswert wäre in diesem Amt, einem Relikt alter Nationalstaaten, einen tatsächlich redegewandten, charismatischen Grüßaugust zu haben, der das deutsche Volk seiner selbst versichert. 
  23.  
  24. Ebenso haben sich alle von Assange abgewendet. Wir wollen hier nicht Antifeminismen bedienen und Täter-Opfer-Umkehr betreiben. Die Vorwürfe der Schwedinnen, dass er beim Sex das Kondom entfernt hat und sie dies als Verstoß gegen ihr Recht auf sexuelle Selbstbestimmung erachten können wir garnicht zurückweisen. In der öffentlichen Diskussion wiederum ist es dann paradoxerweise der Vorwurf der Egomanie, Geltungssucht und Gier, der die Desolidarisierung legitimiert. Dabei sollte klar sein: Das schwedische Gesuch nach Auslieferung ist politisch motiviert, und damit meinen wir nicht die bessere Situation für den feministischen Diskurs in Schweden. Dass hier Großmacht- und Geheimdienstinteressen intervenieren ist schwer zu bezweifeln. Die von Schweden aus mögliche Auslieferung in die USA ist gerade vor dem Hintergrund des dort mittlererweile geltenden Feindstrafrechts eine Bedrohung. Auch hier wäre Solidarität angesagt, jedenfalls verbunden mit aller Kritik an der Person. Stattdessen herrscht schweigen im Walde, man blickt herab auf die moralisch Unwürdigen, und freut sich ob der eigenen Seriösität und Relevanz.
  25. Ändert das.
  26.  
  27. diskordianische Grüße,
  28.         Initiative Luxus für Alle
  29.  
  30. wir behalten uns vor die Urheberrschaft zu leugnen und das Gegenteil zu behaupten.
  31. tl;dr: früher war mehr radikalität. freie daten für alle.
Advertisement
Add Comment
Please, Sign In to add comment
Advertisement