Zuhören und warten. Das ist das Einzige, was du tun kannst, wenn du dich in der Dunkelheit versteckt hältst. Und nachdem du alles was du hast auf das Monster losgelassen hast, bleibt dir nichts Anderes übrig, als dich in der Dunkelheit zu verstecken.

Ben: Eins eintausend, zwei eintausend, drei eintausend...

Seitdem wir uns in die Anhörung des Senats eingehackt hatten, lauschte und wartete ich, hoffte darauf, dass unsere Aussagen die richtigen Zuhörer erreichen würden und befürchtete, dass ONI uns hier in der Dunkelheit sitzend, vorher findet. Ich wusste nicht mehr wo ONI aufhörte und die Welt anfing. Es war eben diese Ungewissheit, die mich umtrieb, denn selbst wenn wir den finalen Treffer gelandet hatten, blieb uns nichts anderes übrig als zuzusehen und zu warten, dass die blutigen Fetzen an die Oberfläche trieben. Bisher war die Oberfläche ruhig. Ich wusste nur eins mit Gewissheit: Dass Mshak nie bei mir aufgetaucht war. Seitdem war jeder einzelne Tag unerträglich still gewesen und mit jeder Nacht wurden meine Zweifel düsterer; ich wurde von Szenarien heimgesucht, die immer in stummen, schwarzen Säcken endeten. Was hatte ich nur getan? FERO und Petrosky konnten sich um sich selbst kümmern, aber wenn ONI Mshak erwischt hatte, war das meine Schuld und jetzt würden sie kommen, um mich zu holen. Ich hielt mich nun seit Tagen hier auf. Die Dunkelheit bescherte mir Albträume, also schlief ich nicht mehr während ihr. Nachtzeit war Arbeitszeit und ich hatte mein Display so stark gedimmt, wie irgend möglich. Nur meine Kontaktperson wusste, wo ich war und genau so sollte es auch bleiben. Dieser Ort bestand nur aus Beton und finsteren Ecken. Ich verinnerlichte mir die Geräusche, die das Gebäude von sich gab: der Wind, der durch das Treppenhaus pfiff, das Klicken des Kühlsystems während dem Ruhezustand, in den Wänden vorbeihuschende Ratten. Sobald irgendein anderes Geräusch aufkam, würde ich sofort mein Display ausschalten, unter das Fenster kriechen und - in höchster Alarmbereitschaft - warten, bis sich Geräusche und Schatten wieder normalisierten. Dann zählte ich bis Hundert und würde wieder hervorkriechen. Ich war von diesem Ablauf nicht einmal abgewichen... bis heute Nacht. Während der Sturm auf das Dach hämmerte und durch die oberen Lufteinlässe kreischte, war ich effektiv taub; jeder hätte sich an mich anschleichen können. Der Beton verstärkte das Echo und all die finsteren Ecken schienen lebendig zu werden, schienen sich den Gang entlang zu bewegen und - ich... ich versuchte mich selbst daran zu erinnern, dass Jeder der kommen würde, im Stolperdraht hängen bliebe. Dann hätte ich fünf Sekunden, um mich zu verstecken. Doch jedes Rumpeln war ein Schritt, jedes Heulen eine Stimme und alles in mir wollte mir klarmachen, dass jemand im Gebäude war. Ich würde nicht auf den Stolperdraht warten. Ich rutschte rüber zu der lockeren Paneele im Fußboden; darunter befand sich ein enger Raum. Ich presste mich in die Lücke und schloss mich ein. Egal wie sehr es stürmen mochte, wer auch immer mich heimsuchen würde, niemand würde mich hier finden. In der Dunkelheit zu warten war der schwierige Teil. Doch die Nacht unter dem Fußboden zu verbringen, bescherte mir den besten Schlaf seit Wochen.

Ich bin Benjamin Giraud und das ist die Jagd nach der Wahrheit.


Nachrichtensprecher: In einer heute auf dem Platz des Kongresses abgehaltenen Rede, gab der frischgebackene Senator Andrew Del Rio ein offizielles Statement bezüglich des in der letzten Woche stattgefundenen Massakers in der Botschaft auf Biko ab.

Es spricht nicht gerade für eine Demokratie, wenn eine Katastrophe den Großteil der Wähler betrifft und scheinbar jeder Politiker der UEG versucht während des öffentlichen Aufschreis auf Stimmenfang zu gehen. Mit allen möglichen Themen, von Militärausgaben bis hin zu Steuererleichterungen. Nicht jedoch Senator Andrew Del Rio, er konzentrierte sich auf ein bestimmtes Thema.

Andrew Del Rio: Also... der Master Chief stürmte eine Versammlung von Friedensaktivisten und schoss Leute nieder. Es tut mir leid, aber die SPARTAN-II sind von Grund auf fehlerhaft und in gefährlichem Ausmaß veraltet. Sie sind eine Schande und Gefahr, mit ihrer verrostenden Technologie und abbauenden Neurologie, doch wir lassen die Steuerzahler weiter dafür bluten. Jetzt allerdings haben wir den wirklichen Preis gesehen. Dieses Programm basiert nicht auf falscher Ehre, sondern auf falschen Prinzipien! Unkontrollierbare Überbleibsel kraftvoller Waffen im Besitz von immer stärker zerfallenden Psychen. Es gibt einen Grund dafür, dass Sie niemals ein Video eines SPARTAN-IV sehen werden, der Zivilisten angreift oder Helden tötet. Ich kann persönlich für den Charakter eines jeden einzelnen SPARTAN-IV sowohl als Kämpfer, als auch als Person bürgen. Nach den tragischen Ereignissen von Biko gibt es glaube ich keine einzige lebende Person mehr, die Selbiges über die SPARTAN-II sagen könnte. Denken Sie an meine Worte: Wenn wir die SPARTAN-II nicht außer Dienst stellen, wird es mehr Biko's, wird es mehr Massaker geben. Keiner möchte das sagen, aber verdammt nochmal, irgendjemand muss es tun, das haben die 19 Familien verdient, deren Angehörige niemals wieder nach Hause kommen werden, wegen dieses "fehlerhaften Spartans", dieser Abart eines Soldaten, der seinen Posten verlassen, seine Uniform entehrt und die Menschen abgeschlachtet hat, die er einst schwor zu beschützen. Im Namen des Anstands ist es endlich Zeit die Statue niederzureißen und dem Master Chief ein Ende zu setzen.

Eins musste ich Andrew Del Rio lassen: Der Mann hatte Fokus. Egal wie sehr ich Del Rio und diese ganze Propaganda Maschinerie verabscheute, die Leaks, das Video und der Bericht logen nicht. Der Chief erschoss Botschafter Sekibo's Bodyguard aus kürzester Entfernung, schnappte sich den Botschafter, entkam dann im Kugelhagel mit einer außeriridischen Delegation und lud Sekibo's Körper am nächsten Tag ab. Das waren die Fakten und egal wie korrupt diese Politiker auch sein mochten, an den Beweisen konnte ich nicht rütteln. Der Chief musste sich stellen und an einem Prozess teilnehmen, damit wir die Wahrheit herausfinden konnten. Ich glaubte noch immer an den Chief, glaubte dass seine Legende wiederhergestellt werden würde und ich wusste, dass mehr dahinter stecken musste.

Ich weiß nicht, ob ich durch das Tageslicht zu unbesorgt geworden war oder Del Rio mich abgelenkt hatte... doch ich hörte den Eindringling erst, als er schon den Stolperdraht auslöste.

Ben: Oh Gott!
Eindringling: Scheiße!
Ben: Ray?! Bist du das?!
Ray Kurzig: Ehm ja. Bin in deine Falle geraten.
Ben: Was hast du hier zu suchen? Du solltest nicht vor morgen auftauchen. Du hast mich zu Tode erschreckt, man!
Ray: Okay, können wir das kurz hinten anstellen? Ich bin hier in Zahnseide und Camping-Zeug eingewickelt. Das sieht aus wie etwas, das meine Tochter basteln würde.

Mein Stolperdraht war keine Zahnseide, sondern Angelschnur verbunden mit meinem auf einer Kante liegenden Campinggeschirr. Tatsächlich ziemlich effektiv.

Ray: Du siehst übel aus.
Ben: Oh, danke Ray.

Mein Leben im Exil war nicht wirklich glamourös. Feldbett, Toilette, Waschbecken. Meine Kleidung diente auch als Bettwäsche. Außer Nachforschungen bestand mein Tagesablauf aus Dosenfutter, waschen in der Spüle, dehnen und Sicherheitsüberprüfungen. Es kam mir vor, als wäre ich wieder an der Front.

Ray: Der Ort hier sieht... genauso übel aus.
Ben: Unfassbar hilfreich, Ray. Danke ehm - Moment. Warte, warte, welchen Weg hast du hierher genommen? Hast du die - du weißt schon - vermieden?
Ray: Entspann dich. Ich habe die größtmöglichen Vorsichtsmaßnahmen getroffen, Ben. Was jedwede unethische staatliche Überwachung angeht, esse ich immernoch Thailändisch in der Nähe meines Hauses.

Mir wurde schnell klar, dass Ray nichts Neues über Mshak oder den Kongress wusste.

Ben: Okay, was dann? Neue - neue Trends aus der Modewelt, was hast du für mich?
Ray: Entweder das oder die Wahrheit über Biko.

Offensichtlich hatte Ray von Mshak gelernt, im Slush zu lauschen. Vor ein paar Tagen dann stieß er auf eine exotische Frequenz die irgendwo hinging, wo sie nicht sollte. Die Sangheili - die außerirdische Rasse aus den Friedensgesprächen auf Biko - hatten am Tag nach den Leaks eine offizielle Übertragung in Richtung UEG Server auf der Erde geschickt. Am anderen Ende hatte die Regierung diese Nachricht verborgen.

Ray: Das ist der Clanführer der Sangheili. Er sagt, sie hatten nichts mit einem Massaker zu tun und der Dämon sei ebenso wenig verantwortlich.

Die Sangheili bezeichneten den Chief als Dämon, vermutlich weniger, weil sie ihn lobpreisen wollten sondern vielmehr, weil er im Lauf der Jahre tausende ihrer Soldaten getötet hatte. Ganz nebenbei hielten es die Sangheili für gewöhnlich mit der Wahrheit. Wenn sie eine Botschaft überfallen hätten und anschließend eine Nachricht schicken würden, dann um mit der Anzahl der Opfer zu prahlen, nicht um sich zu rechtfertigen.

Sangheili Nachricht: Warum bleiben Sie stumm, während Ihre Leute unschuldiges Blut fordern?
Ray: So wie er es sagt, klingt es, als sei Biko auf Rache aus.
Ben: Hä? Nein, nein. Ich beobachte Biko seit Tagen. Schau hin, dort ist es absolut friedlich.
Ray: Ganz genau. Trotzdem habe ich das überprüft: der Feed ist eine alte Schleife. Die Äußeren Kolonien sind größtenteils von uns abgeschnitten, doch irgendwer hat Biko von allem abgeschnitten. Keiner außerhalb von Biko weiß, was dort vor sich geht - und es ist übel.

Ray hatte es geschafft Robbie zu finden, einen Plünderer, der seinen Lebensunterhalt bestritt, indem er sich an schreckliche Orte begab und Informationen von dort an den Höchstbietenden verkaufte. Er befand sich seit Sekibo's Beerdigung auf Biko und sammelte Fakten; bei diesem Auftrag bekam Ray wirklich was für sein Geld geboten.

Ray: Proteste, Aufstände, Ausnahmezustand. Doch seit der Beerdigung hat keine einzige prominente Person auf Biko auch nur ein Wort dazu gesagt.

Zumindest nicht in der Öffentlichkeit; inoffiziell waren Robbie's Kontakte aus der Botschaft aufgebracht. Sekibo's Leute wollten ein Statement abgeben, die Sangheili von jedweder Schuld freisprechen - doch sie konnten nicht. Magistrat Laurel Adams hatte die Führungsfiguren und die Medien zum Schweigen gebracht. Keiner sagte etwas.

Ben: Wie kann sie die Befugnis dazu haben?
Ray: Hat sie nicht! Adams ist eine Marionette. Die Nachrichtensperre kam von der Erde.
Ben: Die UEG? Warum sollte sie das Massaker totschweigen? Um den Chief zu beschützen?
Ray: Nein, um ihre eigenen Ärsche zu retten.

Nachdem eine ernsthafte Sicherheitsbedrohung eine Woche vor Beginn der Gespräche aufgedeckt worden war, hatte Botschafter Sekibo bei der UEG Hilfe ersucht; dringend benötigte Hilfe. Doch die Senatoren hatten ihn mit einer automatischen Ablehnung abgespeist. Sekibo's Büro hatte keine Wahl - sie führten die Gespräche fort, die Stabilität der Region hing am seidenen Faden - und er riss.

Ray: Nachrichtensperre durchgesetzt, Medien zum Schweigen gebracht. Die inoffizielle Antwort, die Robbie erhielt, als er fragte wer es getan hatte war: nicht die Sangheili. Aber als FERO's Leaks eingeschlagen waren und der Chief zum Bad Guy wurde, ging es auf Biko's Straßen rund und Sekibo's Leute traten in Aktion. Sie widersetzten sich und starteten eine geheime, unabhängige Untersuchung des Massakers. Die einzigen Verdächtigen waren ein Haufen von Extremisten namens "Sapien Sunrise".

Sapien Sunrise glaubte, dass die Integration verschiedener Spezies die Zivilisation zerstören würde. Menschen sind rein, Aliens böse; die Art Gedankengut. Die meisten Gruppen kamen einfach in irgendjemandes Keller zusammen, aßen Gebäck und tauschten Hasstiraden aus, aber Ray brachte terroristische Dossiers hervor, Spendenregister, Militärprotokolle. Sapien Sunrise tat um Einiges mehr als Kekse zu backen und Sekibo's Gespräche waren die Verkörperung von all dem, was sie verabscheuten.

Ray: Hier ist die Zusammenfassung: sie waren's.
Ben: Nunja, das ist eine kurze Untersuchung.
Ray: Sie planten, Botschafter Sekibo zu ermorden, es den Aliens in die Schuhe zu schieben und die Friedensgespräche somit zu beenden. Ich habe keine Ahnung, ob die Sapiens auf unfähige, lokale Nachrichtendienste gehofft hatten oder ob sie schlicht und ergreifend arrogante Psychopathen sind, aber sie waren verdammt unverfroren.

Den Notizen des Ermittlers zufolge, hatte Sapien Sunrise die Botschaft seit Wochen offen bedroht. Kein Wunder also, dass die Nachrichtensperre die Diplomaten verärgert hatte, aber es dauerte nicht lange, ehe die Ermittlungen vier der toten Zivilisten dem örtlichen Sapien Ableger zuordnen konnten, außerdem vier Wachleute der Botschaft und Sekibo's persönlichen Bodyguard; ein Mann mit beträchtlichem, militärischem Hintergrundwissen und das erste Opfer des Chiefs, nachdem er die Räumlichkeiten betreten hatte. Insgesamt waren an diesem Tag neun Sapiens innerhalb der Botschaft.

Ray: Der Chief hat jeden Einzelnen von ihnen ausgeschaltet.
Ben: Verdammt.
Ray: Außerdem gibt es Indizien dafür, dass der Chief keinen einzigen Unschuldigen getötet hat.
Ben: Warte, was für Indizien? Im Video ist das nicht zu sehen.
Ray: Scheinbar gibt es ein zweites Video.
Ben: Hast du das, Ray?
Ray: Nein, aber es ist da draußen, ebenso Berichte der Rechtsmediziner.
Ben: Was?! Kommen wir da ran?
Ray: Nein.
Ben: Was - was ist mit der Kommunikation zwischen der UEG und dem Magistrat? Damit könnten wir beweisen, dass sie Sekibo's Anfrage fahrlässig abgelehnt haben.
Ray: Robbie konnte auch das nicht kriegen. Die Nachrichtensperre wurde nochmal durchgesetzt, Ben.
Ben: Sie blieben erneut stumm?! Nach all dem haben sie die Ermittlungen einfach abgebrochen?
Ray: Robbie glaubt, dass die UEG den Diplomaten etwas versprochen haben muss.
Ben: Ja, wie wäre es zum Beispiel damit, den Chief und die Sangheili zu entlasten und die Sapiens in der Versenkung verschwinden zu lassen, komm schon!
Ray: Wir können von Glück reden, dass wir das hier haben. Außerdem ließen die Diplomaten durchklingen, dass der Gerechtigkeit bald genüge getan wird.
Ben: Gerechtigkeit?! Sie werden einfach behaupten, Sapien Sunrise hat das Ganze mit Hilfe des Chiefs durchgezogen! Und - und sie werden damit durchkommen! Was zur Hölle läuft bei diesen Typen eigentlich falsch?!
Ray: Ehm... sie sind böse.

Sekibo's Büro wollte eine bessere Welt schaffen, in einem Teil der Galaxie, in der nur wenig schwarz und weiß ist. Sie baten um Hilfe und während das UEG ihre Anfrage noch nicht einmal las, tauchte der Master Chief auf. Sein Schiff durchstieß die Atmosphäre mit derartiger Geschwindigkeit, dass die KI der Flugleitzentrale es als Feuerball registrierte. Aufgrund der Strecke, die er zur Botschaft zurückgelegt hatte, kann man davon ausgehen, dass er praktisch keine Vorwarnung hatte. Der Chief griff unglaublich schnell in eine schier ausweglose Situation ein. Er verhinderte eine Ermordung und wendete dadurch vermutlich einen Krieg ab. Er neutralisierte schwer bewaffnete Kämpfer, die sich zwischen Zivilisten versteckten und am Ende klebte kein einziger Tropfen unschuldigen Blutes an seinen Händen. Er konnte Sekibo und alle drei Sangheili in Sicherheit bringen. Das Einzige, was der Chief nicht tun konnte... war Richard Sekibo's Herz weiterschlagen zu lassen. Doch in Wirklichkeit, ohne das zweite Video oder gerichtsmedizinische Gutachten, welche den Chief entlasten könnten, ohne Belege für die Fahrlässigkeit der UEG, hatte ich nichts. Ich sah, wie vor meinen Augen alles in sich zusammenfiel.

Ben: Ray, das ist... danke. Das hättest du nicht tun müssen.
Ray: Ich hatte eigentlich gar keine Wahl. Ich - ich muss dich um einen Gefallen bitten.
Ben: Okay.
Ray: Alles was da in den Äußeren Kolonien vor sich geht, m - meine Eltern sind da draußen. Robbie konnte mir nicht helfen und keiner kommt durch. Aber wenn du mit Petra reden könntest oder dich umhörst, was sie auf der Erde sagen...
Ben: Ja, natürlich.

Ray war nicht im Stande seine Eltern zu finden; ich war nicht in der Lage gewesen Mshak zu retten, Katrina zu helfen, Ellie zu finden. Ich hatte keine Ahnung, was für einen Gefallen ich jemandem tun konnte, doch ich rief Petra trotzdem an. So beschämend es ist das zuzugeben: ich hoffte, sie wäre genauso machtlos. Als Petra abnahm und ich anfing herumzudrucksen, unterbrach sie mich plötzlich.

Petra: Ben, Ben hör mir zu. Ich - ich bin eigentlich ziemlich froh, dass du anrufst.
Ben: Was?
Petra: Ich habe eine Spur für dich. Sie tauchte vor einigen Tagen plötzlich auf, als ich... ich sitze hier mit ihr und überlege, ob ich sie dir geben -
Ben: Petra.
Petra: - oder sie löschen soll. Sie ist von jemandem, dem ich vertraue -
Ben: Petra, ich brauche keine Almosen, okay? Wenn du willst -
Petra: Ben, ich will nicht, aber - ich weiß nicht, ob ich dafür verantwortlich sein will, sie dir gegeben zu haben, aber ich weiß, du brauchst sie. Hier.

Ich öffnete das Paket. Koordinaten, irgendein Sektor in den Außenbezirken. Darunter erschien ein 72 Stunden Fenster, das bald begann. Ich überprüfte den Standort - er war auf Bliss.

Petra: Ich bin mir nicht sicher, was du dort finden wirst. Vielleicht einen Server oder -
Ben: Einen Server? Auf einem verglasten Planeten?
Petra: Ich weiß es nicht, okay? Vielleicht - vielleicht ist es ein Massengrab. Ich weiß nur, dass es sich um eine Anomalie handelt. Sie wissen nichts davon und für 72 Stunden wird es einen Ausfall der Sicherheitssysteme geben, während dem keiner zusehen kann. Das ist ein straffes Zeitfenster, Ben. Du musst da rein und wieder raus, in diesem Fenster. Verstehst du das?
Ben: Ehm.... es - es ja - ja, okay.
Petra: Ben, das ist eine einmalige Gelegenheit. Jemand hat sein Leben dafür riskiert, um mir dieses 72 Stunden Fenster zu beschaffen und ich muss wissen, dass -
Ben: Ehm, ehm, ehm, sorry... ich würde - ich würde... nein. Ich weiß das zu schätzen, ich - ich werde es machen. Okay? Danke.
Petra: Okay. Das ist deine Mitfahrgelegenheit: ein Silikat-Frachter. Fliegt heute Nacht ab; bring dein Sparschwein mit, alles was du hast. Diese Leute sprechen nur eine Sprache: Bestechung. Und sie sind nicht leicht zu beeindrucken.

Ich weiß nicht wieso, aber irgendwie, in diesem Moment, fühlte ich mich bereit dazu. Es war endlich an der Zeit einen gewagten Schritt zu machen und das hier war er.

Ben: Ehm, Petra, ich habe nur noch eine Frage. Ich stelle sie ungern, aber -
Petra: Ja, du kannst die Aufzeichnung behalten.
Benjmain: W - woher wusstest du das?
Petra: Gott, du bist das Letzte, Ben. Pass auf dich auf.
Ben: Okay, danke Petra. Mach's gut.

Da ich mich zu den entfernten Regionen aufmachte, in denen Gefallen für Geld zu bekommen waren, musste ich mich mit dem Nötigsten eindecken und all das Geld zusammenraffen, dass mir in dieser Welt noch geblieben war - der Notgroschen, den ich bei mir zu Hause versteckt hielt. Ich würde nach Hause gehen und überraschenderweise fühlte sich das unfassbar gut an. Nach so langer Zeit endlich vor die Tür zu gehen, wieder ein Ziel vor Augen zu haben, gab mir das Gefühl von Freiheit und Sinnhaftigkeit. Ich hatte mich auf ein schnelles Auftauchen, Einsammeln und Abhauen eingestellt, doch während ich den Gehweg zu meinem Haus entlangschlenderte, fiel mein Blick auf etwas Ungewöhnliches: Bekanntmachungen der Stadt, die an die Eingangstür geheftet waren: "Dieses Gebäude wurde aufgrund unbewohnbaren Zustandes zum Abriss freigegeben". Was zur Hölle hatte das zu bedeuten? Meine Schlüsselkarte funktionierte noch, also betrat ich den schummrigen Eingangsbereich. Der Strom im Gebäude war abgestellt, es war still und jede einzelne Tür auf der gesamten Länge des Flurs stand einen Spalt offen.

Ben: Was zur Hölle?! Hallo?

Während ich den stillen Flur entlang ging, spähte ich in die Apartments meiner Nachbarn.

Ben: Hallo?

Alles darin - Einrichtung, Bilder, Fenster - alles war in durchsichtige Plastikfolie gehüllt, die knisterte, als ich daran vorbeiging. Im zweiten Stock das gleiche Bild: Stille, jede Tür geöffnet, jeder Zentimeter darin in Plastik gehüllt. Während ich um die Ecke bog, erkannte ich, dass meine Tür - noch immer beschädigt von Petra's Stiefel - geschlossen war. Sie war die einzige, geschlossene Tür. Ich öffnete sie und meine Eingeweide fielen in sich zusammen. Alles war weg. Das gesamte Apartment war entkernt worden.

Ben: Hier ist nichts mehr.

Alles, bis hin zu den Fassungen der Lampen, den Haushaltsgeräten, den Möbeln. Sie hatten den Fußboden heraus gerissen, alle Teppiche, die Rohrleitungen ausgebaut. Das alles war einfach weg, als wäre es nie da gewesen. Als der Wind durch die ausgemeißelten Löcher wehte, in denen sich einst meine Fenster befanden, bemerkte ich, dass es mittlerweile dunkel geworden war. Das Monster war hier gewesen. Es war in meine Wohnung gekommen und jetzt war alles, was ich jemals besessen hatte, vollkommen ausgelöscht.


Folgt mir auch in der nächsten Episode von Jagd nach der Wahrheit.