Übersetzung des englischsprachigen Artikels "Jealous of what? Solving polyamory’s jealousy problem" von Elizabeth Stern http://www.salon.com/2014/07/14/jealous_of_what_solving_polyamorys_jealousy_problem/ Alle fragen meine polyamore Familie, wie wir mit Eifersucht umgehen. Für uns ist das einfach – weil es es eigentlich ganz anders ist. ELIZABETH STERN Das Erste, was die Leute meine polyamore Familie fragen, ist „Wie geht ihr mit Eifersucht um?“ Verdattert fragen wir: „Welche Eifersucht?“ Ich habe Glück, ich lebe mit den zwei Lieben meines Lebens. Ich bin hingerissen von meinem Ehemann – wir sind 16 Jahre verheiratet - und ich vergöttere meinen Partner, mit dem ich vier Jahre zusammen bin. Wir drei verlassen uns aufeinander und fördern uns gegenseitig; wir sind eine Familie. Als mein Partner und ich einmal schon eine Weile kein Date mehr miteinander gehabt hatten, ermutigte uns mein Ehemann, einen freien Tag im Kunstmuseum zu verbringen; er weiß dass uns das Visuelle verbindet. Als mein Ehemann und ich in der Diskussion unserer Probleme ein emotionales Tief erreichten, hat mein Partner uns geholfen, das in Ordnung zu bringen und wieder zueinander zu finden. Und als ich Weihnachtsgeschenke aussuchte, gab ich meinen beiden Feinschmeckern mit einem Kochkurs für japanische Kleinigkeiten Zeit, um ihre Freundschaft zueinander zu festigen. Die bestehende Ratgeberliteratur für Polyamorie setzt auf individualistische Lösungen für Eifersucht. Polyamorie-Gurus wie Dossie Easton („The Ethical Slut“), Deborah Anapol (“Love Without Limits”) und, neuerdings, Franklin Veaux (“More Than Two”) empfehlen die Übernahme persönlicher Verantwortung als Mittel gegen Unsicherheit. Man soll sich durch die eigene Eifersucht „durcharbeiten“, dabei sichergehen, seine Partner nicht zu „kontrollieren“, und währenddessen die Erfahrung der Eifersucht immer aus dem Blickwinkel persönlichen Wachstums sehen. Meine Familie hat diese individualistischen Methoden nie benötigt, denn Eifersucht ist ein soziales Problem, kein individuelles, und das Gleiche gilt für die Lösungen. Das Anpreisen individualistischer Methoden zum Umgang mit Eifersucht ist nichts Neues, sondern kann zurückverfolgt werden bis zum Verfall der Familienwirtschaft im 18. und 19. Jahrhundert. Peter N. Stearns “Jealousy: The Evolution of an Emotion in American History” behauptet, dass es in Europa und den Vereinigten Staaten vor dem 18. Jahrhundert viel weniger Probleme mit Eifersucht gab. Das Leben in wirtschaftlich und sozial eng verbundenen Gemeinschaften mit klaren Rollenverteilungen ließ nicht viel Raum für die Angst, den Lebensgefährten an Rivalen zu verlieren. Die Teams aus Ehemann und -frau wurden als eine Einheit gesehen, die in einer kommunalen Struktur eingebettet war, weniger als einzelne Individuen. Sicher, die Individuen hatten nicht unglaublich viele Freiheiten, aber sie hatten die Sicherheit, dass ihre Beziehungs-Einheit von der Gemeinschaft anerkannt, unterstützt und zur Rechenschaft gezogen wurde. Mit der Verschiebung von familien- und gemeinschaftsbasierten Institutionen zu Lohnarbeit im Umfeld von Städten begannen bürgerliche Familien, in nach Geschlechtern getrennten Bereichen zu funktionieren (Frauen wurden dabei an den Herd verbannt). Die Ehegatten hatten im Alltag weniger gemeinsame Zeit, und das bedeutete weniger Unterstützung durch die Gemeinschaft, weniger Kontrolle und weniger Anerkennung von Beziehungen. Es ist weithin anerkannt, dass das Aufkommen einer kapitalistischen Gesellschaft dazu führte, dass Frauen im Vergleich zu Männern wirtschaftliche und soziale Macht verloren. Durch das Aufkommen separater Lebensbereiche jedoch wurde sowohl Männern als auch Frauen die Unterstützung der Gemeinschaft für ihre Beziehung entzogen, die einst dafür gesorgt hatte, dass Eifersucht kein Thema war. Im 20. Jahrhundert nahmen Frauen wieder am wirtschaftlichen Leben teil, und für Frauen und Männer gab es bessere Möglichkeiten, individuelle Entscheidungen über Ausbildung und Berufswahl zu treffen. Diese willkommenen wirtschaftlichen Gewinne für Frauen wurden allerdings vom zunehmend ärgerlichen Problem der Eifersucht begleitet. Anders als in der Familienwirtschaft, wo Eheleute miteinander in derselben Gemeinschaft arbeiteten, verbrachten die Partner ihre Zeit jetzt in getrennten, gemischtgeschlechtlichen Ausbildungs- und Arbeitseinrichtungen mit einer höheren Verfügbarkeit von potentiellen alternativen Partnern. Und obwohl die in dieser Zeit immer wichtiger werdende Vorstellung der romantischen Liebe die Eifersucht etwas dämpfte, war diese Idee ein schlechter Ersatz für die frühere vollständige Unterstützung von Beziehungen durch die Gemeinschaft. Also, wenn das grünäugige Monster Eifersucht aus dem Wechsel von der Gemeinschaft zur Gesellschaft entstand, was sollte unsere junge individualistisch-kapitalistische Gesellschaft jetzt tun? Na, es in ein Unsicherheits-Monster verwandeln, das man mit Selbstkontrolle zähmen muss! Raten Sie kurz, aus welcher Zeit diese Zitate stammen: 1) „Eifersucht ist ein Gefühl dass in dir selbst entsteht; keine Person und kein Verhalten kann dich eifersüchtig 'machen'. Ob es dir gefällt oder nicht, die einzige Person, die dafür sorgen kann, dass Eifersucht weniger weh tut oder verschwindet, bist du selbst.“ 2) „Eifersucht ist fast immer ein Zeichen von Unreife und Unsicherheit. Wenn wir uns der Liebe unseres Liebsten sicherer sind, sind wir nicht eifersüchtig.“ 3) Eifersucht ist „unerwünscht, ein Eitergeschwür in jeder Persönlichkeit, die davon betroffen ist.“ Das erste Zitat ist zeitgenössisch, aus der Poly-Bibel „The Ethical Slut“. Das zweite ist aus einem Mainstream-Beziehungsratgeber aus den 1950ern, und das dritte ist aus einem Kommentar von Margaret Mead aus den 1930ern. Zu beachten ist, dass nur das erste Zitat sich an ein nichtmonogames Publikum wendet. Polyamorie-Ratschläge zu Eifersucht sind in diesem Licht gesehen nicht radikal neu; sie sind einfach Teil des größeren Kontexts des 20. Jahrhunderts, in dem Eifersucht dämonisiert und nach persönlicher Verantwortung für ihre Ausrottung gerufen wurde. Statt Eifersucht als Folge der strukturellen Veränderungen des 19. und 20. Jahrhunderts zu sehen, gibt es eine falsche Tendenz, auf der Suche nach Ursachen und Heilmitteln nach innen zu schauen. Ich denke an mein Leben von vor vier Jahren zurück, als wir unsere polyamore Familie gründeten. Mein neuer Freund war überrascht, dass er auf die 14-jährige Beziehung mit meinem Ehemann nicht eifersüchtig war. Er fühlte sich unterstützt und in unseren Leben willkommen, und er sehnte sich danach mit uns eine feste Beziehung einzugehen, aber die Abwesenheit von Eifersucht war verwirrend für ihn. Kommt Eifersucht nicht natürlicherweise davon, dass ein Partner einen anderen Partner hat, fragte er sich? Er wartete über ein Jahr, bevor er sich festlegte, nur für den Fall, dass Eifersucht aufkommen würde. Er wartete auf Godot. Wir drei hatten uns in einem Filmclub getroffen und verstanden uns sofort blind. Unser Smalltalk drehte sich um Bourdieu, Navier-Stokes-Gleichungen und Henri Cartier-Bresson. Diese grundlegende Kompatibilität war ohne jede Anstrengung und wir lachten zusammen wie Kinder. Es war dieses tiefe Verständnis füreinander, das es meinem Freund erlaubte, unsere Ehe zu „sehen“ wie es nur wenige andere konnten. Die Nähe unserer Ehe in einer so nuancierten und perfekten Art wiedergespiegelt zu sehen, fühlte sich großartig an. Auf eine ähnliche Weise erlaubte die große Nähe meines Ehemanns zu mir ihm, zu erkennen wie wohl und zu Hause ich mich bei meinem Freund fühlte. Mein Ehemann war eine der wenigen Quellen für Unterstützung und Anerkennung, die mein Freund und ich zu dieser Zeit unserer beginnenden (aber zuerst noch geheimen) Beziehung hatten. Er war auch für uns da, als wir es erstmals unseren verwirrten Famlien und Freunden erzählten. Während viele Sorgen äußerten, dass diese neue Beziehung zu einem Desaster führen würde, gab uns mein Ehemann Karten zum Jahrestag und sagte uns dass wir ein einzigartiges und besonderes Paar wären. Eric Widmer, Soziologe an der Universität von Genua zeigt, dass Vertrauen in jeder dyadischen (zwei-Personen) Beziehung von der Dichte der größeren sozialen Gruppe beeinflusst wird, in welche sie eingebettet ist. Die Forschung zeigt, dass sich Personen wohler fühlen, wenn diejenigen, die ihnen nahe stehen, sich auch einander nahestehen – das nennt man Transitivität. Mit der Zeit führt das zu engen Netzwerken, in denen sich die Anzahl tatsächlicher Verbindungen zwischen den einzelnen Mitgliedern der Anzahl der maximal möglichen Verbindungen annähert oder sie sogar erreicht. In meiner polyamoren Familie gibt es drei mögliche dyadische Beziehungen, und alle drei wurden entweder in einer Liebesbeziehung realisiert (ich und meine Partner) oder in einer engen Freundschaft (zwischen meinen Partnern). Ein enges, sozial zusammenhängendes Netzwerk erlaubt größeres Vertrauen zwischen zwei beliebigen Mitgliedern. Die Transitivität im weiteren sozialen Umfeld meiner Familie, bestehend aus Freunden und Familienmitgliedern, ist anders als bei uns. Aber allein der enge Zusammenhalt innerhalb unserer unmittelbaren Familie scheint der Grund für das offenbar überraschende Fehlen von Eifersucht zu sein. Stephanie Koontz postuliert in einem Interview für den „Salon“, dass Nicht-Monogamie wohl nicht institutionalisiert werden wird, weil „wir nicht die Art von Gesellschaft sind, die viele sehr enge Beziehungen mit einem Sinn für wechselseitige Abhängigkeit ein ganzes Leben lang hat.“ Ich stimme ihr zu. Unsere Gesellschaft hat sich von dieser Art lebenslanger Strukturen seit mehr als zwei Jahrhunderten entfernt. Polyfamilien mit lebenslangen Beziehungen wie unsere, oder wie die im Artikel „Polyamory works for us“ beschriebene, werden wohl wahrscheinlich nicht die neue Norm, weil sie nicht besonders gut zu den zeitgenössischen sozialen und wirtschaftlichen Strukturen passen. In einer Gesellschaft, die vom individualistischen Neoliberalismus geprägt ist, hat die besten Chancen, wer geografisch mobil ist und zudem bereit, viel Zeit in Ausbildung und persönliche Karriere zu investieren. Unter diesen Umständen ist es wirtschaftlich gesehen nicht sehr sinnvoll, die individuellen Möglichkeiten von zwei oder mehr Partnern innerhalb einer lebenslangen Beziehung irgendeiner Art aufeinander abzustimmen. Ein Großteil der Polyamorie-Ratgeberliteratur empfiehlt sowieso keine engen, voneinander abhängigen Beiehungsnetze auf Lebenszeit. Ihre Marke Polyamorie ist individuelle Freiheit, verwurzelt in persönlicher Verantwortung und Selbstverwirklichung, was viel besser in die Struktur unserer heutigen neoliberalen Möglichkeiten passt. Eine Befragte aus dem Buch „The Ethical Slut“ drückt es am besten aus: „Mein sexuell offener Lebensstil gibt mir persönliche Freiheit, Unabhängigkeit und Verantwortung auf eine Art und Weise, wie es für ein exklusives Paar nicht der Fall ist. Weil ich jeden Tag dafür verantwortlich bin, dass meine Bedürfnisse erfüllt werden (oder auch nicht), und dafür die Beziehungen in meinem Leben zu pflegen, kann ich nichts als gegeben hinnehmen... und so gibt mir dieser Lebensstil ein sehr konkretes Gefühl der Individualität, die ich jeden Tag neu erschaffe.“ Das ist „expressiver Individualismus“ (wie in Bellahs „Habits of the Heart“) vom Feinsten. Die Polyamorie-Ratgeberliteratur ist voll von bürgerlicher Selbstverwirklichung, wo Suchende ihr authentisches Selbst durch individualisierte Entscheidungen über Beziehungen ausdrücken. Wie in der „Human Potential“-Bewegung der 1960er Jahre ist der Zweck von Beziehungen in der Polyamorie, zum eigenen individuellen Wachstum beizutragen und den anderen die individuelle Freiheit zu geben, dasselbe zu tun. Diese individualistische Herangehensweise an Beziehungen ist auch „praktisch“ in dem Sinn, dass sie Partner austauschbar macht, wenn wir woanders bessere psychologische oder wirtschaftliche Möglichkeiten finden. Polyamorie-Experting Deborah Anapol beschreibt dieses sogenannte neue Paradigma als eines, in dem der Zweck von Beziehungen ist, „die psychologische und spirituelle Entwicklung der Partner voranzutreiben“, das sie im Gegensatz setzt zu dem „alten Paradigma“, von dem sie sagt, es „erwarte von Familienmitgliedern, individuelle Wünsche durch gemeinschaftliche Ziele zu ersetzen“. Wie eine Polyamorie-Webseite kurz und bündig schreibt: „Polyamorie fördert, erlaubt und fordert beinahe, dass man in erster Linie ein Individuum ist“. Die Forschung zur Polyamorie zeigt, dass Teilnehmer meist gut ausgebildete Experten sind. Nach Psychologe Hazel Markus tendieren solche Experten zu einem „unabhängigen Handlungsmodell“, in dem Handlungen als frei wählbar und von anderen unabhängig wahrgenommen werden (im Gegensatz zu Amerikanern der Arbeiterklasse, die ihre Handlungen als abhängig von Anderen ansehen). Beispielsweise haben Angestellte der oberen Mittelschicht in einer Arbeitsorganisation ein eher breites Netzwerk von Kollegen, die eng zusammenarbeiten, allerdings in Gruppen, die von einem zum anderen Projekt wechseln. Solche Angestellte, ohne kleine beständige Arbeitsgruppe, halten sich eher für individuell Handelnde, mit eigenem Handlungsspielraum darin, Kollegen und Projekte auszuwählen (innerhalb der organisatorischen Einschränkungen). Klingt ziemlich fantastisch, oder? Aber was passiert, wenn wir dieses unabhängige Handlungsmodell auf Liebesbeziehungen anwenden? Polyamorie spiegelt und erweitert die Anwendung von Prinzipien der freien Marktwirtschaft auf mehr und mehr Lebensbereiche – warum nicht auch auf die Liebe? Sich verschiebende Netzwerke von Kollegen sind eine Sache, aber im Kontext von Sex und Liebe sind diese Umkonfigurationen für das Herz schwer zu verkraften. Was passiert, wenn wir Individualismus auf enge emotionale Beziehungen anwenden, können wir von den Kommunen der 1960er und 1970er Jahre lernen. Es stellt sich nämlich heraus, dass die meisten dieser Kommunen nicht wirklich „kommunal“ waren. Forschungen von Soziologen wie Stephen Vaisey und Rosabeth Moss Kanter zeigen, dass ein gemeinsamer Glaube an die individuelle Freiheit nicht ausreicht, um eine Gemeinschaftsidentität oder ein „Wir-Gefühl“ zu erzeugen. Diejenigen Kommunen, die ein „Mach dein eigenes Ding“-Ethos betonten und keine Verpflichtung auf etwas Größeres als das eigene Selbst erzeugten, waren diejenigen, in denen Mitglieder am häufigsten wechselten und die nicht lange hielten. Elisabeth Sheff, Autorin von “The Polyamorists Next Door”, stellt fest, dass heutige intime Polyamorie-Netzwerke bereits innerhalb von Monaten oder einigen Jahren sowohl die Beziehungsform als auch die Mitglieder wechseln. Solche Wechsel machen es schwerer, die Art von engen, miteinander verwobenen Netzwerken entstehen zu lassen, die zu Vertrauen zwischen den Mitgliedern führen. Meine Hypothese ist, dass je mehr Wechsel innerhalb eines polyamoren Netzwerks stattfinden, desto mehr Eifersucht tritt auf, die wiederum ein stärkeres individuelles Emotionsmanagement nötig macht. Mit anderen Worten, die individuelle Freiheit in Beziehungen hat einen bösen Zwillingsbruder: individuelle Einschränkung von Emotionen. Für diejenigen, für die individuelle Freiheit in Beziehungen der höchste Wert ist, mag es das individuelle Eifersuchtsmanagement wert sein, das entsteht, wenn Liebe am freien Markt gehandelt wird. Für diejenigen, die nicht von Angesicht zu Angesicht mit dem grünäugigen Monster konfrontiert werden möchten, verschließt die Ratgeberliteratur die Augen davor, welche Wege zu einer höheren oder niedrigeren Wahrscheinlichkeit für Eifersucht führen. Neben individueller Emotionsarbeit werden keine Wege angeboten, wie Eifersucht sich für diejenigen handhaben lässt, die sich ein gemeinschaftliches, weniger individualistisches Herangehen an die Polyamorie wünschen. Basierend auf den soziologischen Prinzipien, wie Gemeinschaften funktionieren, können wir zumindest einige erste Ideen für soziale Lösungen des polyamoren Eifersuchtsproblems vorschlagen: Zuerst einmal: je mehr ein „Wir-Gefühl“ innerhalb von sozialen Netzwerken geschaffen wird, desto mehr Vertrauen und weniger Eifersucht entsteht voraussichtlich zwischen den Mitgliedern. Das ist am einfachsten mit einer kleinen Anzahl Mitglieder (sehen wir den Tatsachen ins Auge: Solidarität ist in meiner Drei-Personen-Familie recht einfach), aber kann auch auf eine Fünferbeziehung oder größere soziale Netzwerke angewandt werden. Eine Möglichkeit, ein Gefühl für etwas Größeres als die Summe seiner Teile zu schaffen, sind gemeinsame Werte (über Individualismus hinaus) oder, noch besser, gemeinsame Ziele. Vergleicht man „Mach-dein-Ding“-Kommunen mit solchen, die gemeinsame Ziele hatten, hielten die letzteren länger mit einem Gefühl von Verpflichtung und Vertrauen unter den Mitgliedern, beispielsweise im Camphill Village. Zweitens können wir Eifersucht reduzieren, indem wir es zur Verantwortung aller machen, die bestehenden Beziehungen innerhalb der Gemeinschaft zu unterstützen und anzuerkennen. Polyamorie-Experten raten einer eifersüchtigen Person, sich an ihren/seinen Partner zu wenden, um sich bestätigen zu lassen, wie wichtig ihre Beziehung ist. Aber die Forschung über soziale Netzwerke zeigt, dass Dyaden Unterstützung von den Netzwerken brauchen, in die sie eingebettet sind; Unterstützung, die zeigt, dass die Beziehung anerkannt und wertgeschätzt wird. Polyamorie-Experten sagen, dass der Grund für das Treffen mit dem Partner des eigenen Partners ist, die eigene Eifersucht zu besänftigen oder herauszufinden, ob man die andere Person mag (wieder einmal die individualistische Sichtweise: was habe ich davon?). Aber von einem sozialen Standpunkt aus ist der Zweck des Treffens mit dem Partner des eigenen Partners, einen Beitrag zur Reduzierung von Eifersucht in der Gemeinschaft zu leisten, indem man den Anderen wissen lässt, dass man ihre Beziehung mit dem eigenen Partner anerkennt und wertschätzt. Ein Gefühl von Sicherheit in einer Beziehung ist davon abhängig, dass die Gemeinschaft ihr den Rücken stärkt, und jede Person kann dazu beitragen und davon profitieren. Der gemeinsame Nenner ist sozial, nicht die persönliche Verantwortung. Uns selbst als Teil eines größeren Systems zu sehen (egal, ob es drei oder dreihundert Personen sind) führt dazu, dass wir soziale Verantwortung für die Gesundheit dieses Systems übernehmen. Können wir das Problem der Polyamorie mit der Eifersucht lösen? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Aber was wir tun können, ist aufzuhören zu behaupten, wir wüssten nicht, woher Eifersucht kommt.