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sz-online - Verbale Hetzjagd auf Asylbewerber

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Jun 30th, 2015
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  1. Verbale Hetzjagd auf Asylbewerber
  2. 100 000 Menschen lesen im Netz über einen Angriff auf eine Frau in Riesa. Doch die Geschichte ist frei erfunden.
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  4. Von Jens Ostrowski
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  6. Über 1300 mal geteilt, mehr als 100000 Menschen erreicht, zahlreiche Kommentare: Dieser Post über eine erfundene Geschichte hat eine verbale Hetzjagd auf Asylbewerber in Gang gesetzt. Gestern Nachmittag wurde er gelöscht. Screenshot: SZ
  7. Über 1 300 mal geteilt, mehr als 100 000 Menschen erreicht, zahlreiche Kommentare: Dieser Post über eine erfundene Geschichte hat eine verbale Hetzjagd auf Asylbewerber in Gang gesetzt. Gestern Nachmittag wurde er gelöscht. Screenshot: SZ
  8. Sie suchte nach Aufmerksamkeit von ihrem Ex-Freund und erzählte ihm eine frei erfundene Geschichte. Die 20-Jährige sei von Asylbewerbern auf der Bahnhofstraße in Riesa angegriffen worden. Am frühen Sonntagmorgen hätten sie ihr aufgelauert und es auf ihre Handtasche abgesehen. Sie berichtet ihm von Schlägen in die Magengrube und Tritten ins Gesicht. Die Handtasche sei geraubt worden.
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  10. Der 26-jährige Ex-Freund tippt am PC einen Aufruf nieder, schildert die angebliche Situation und lobt 100 Euro aus für den entscheidenden Hinweis, der zu den Tätern führt. „Liebe Asylanten, Ihr habt dem falschen ans Bein gepisst!“, schreibt er unter anderem – und erreicht mit seiner Meldung mehr als 100 000 Facebook-Nutzer. Es beginnt eine verbale Hetzjagd auf Asylbewerber. Der Post wird alleine über 1 300 Mal geteilt. Die Geschichte heizt einmal mehr in Riesa, Region und weit darüber hinaus den Fremdenhass an, der nur zu gerne über Facebook breitgetragen wird. „Raus mit dem Zeug!!!“ und „Solcher Abschaum!“ sind noch die freundlichsten Kommentare, die innerhalb weniger Stunden unter den Post gesetzt werden.
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  12. Tritte ins Gesicht
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  14. „Ich habe einfach Rot gesehen. Wenn eine Frau von einem Mann geschlagen wird, setzt es bei mir aus“, erklärt der 26-Jährige später gegenüber der Sächsischen Zeitung, dass er seiner Exfreundin glaubte, obwohl sie reichlich betrunken war und von den angeblichen Tritten ins Gesicht überhaupt keine Verletzungen sichtbar waren.
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  16. Dass das Ganze ein Fake ist, kommt erst durch Recherchen der Sächsischen Zeitung ans Tageslicht. Seltsam ist, dass die Polizei von diesem Überfall überhaupt nichts weiß. Eine Anzeige gibt es nicht. Doch ein anderer Eintrag in der Tageslage macht Riesas Polizeichef Hermann Braunger stutzig. Gegen etwa 10.30 Uhr morgens hatte eine junge Frau am Sonntag sturzbetrunken ihre Handtasche als vermisst gemeldet. Beamte halfen ihr noch, den Weg zwischen Franky‘s Music-Pub, in dem sie seit dem Vorabend getanzt und getrunken hatte, und ihrer Wohnung zu suchen. Vergebens. Die Handtasche blieb verschwunden. Ob selbst verloren oder gestohlen, weiß sie bis heute nicht.
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  18. Wieder zu Hause überkam die 20-jährige die Einsamkeit. „Ich brauchte Aufmerksamkeit und wusste, dass ich sie von meinem Ex mit dieser Geschichte bekomme.“ Von Asylbewerbern will sie allerdings nie gesprochen haben. Er behauptet das Gegenteil, sagt aber, ausländerfeindlich sei er gar nicht. „Aber die müssen sich hier benehmen“.
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  20. So absurd und grotesk sich der Fall auch anhören mag – Hermann Braunger kann dieser Facebook-Nachricht überhaupt keinen Spaß abgewinnen. „Im Gegenteil, aus so einer erfundenen Geschichte kann ganz schnell bitterer Ernst werden.“ Was, wenn aufgrund dessen ein Asylbewerber angegriffen werde? Wer bezahle den Polizeieinsatz, wenn rechtsextreme Gruppierungen eine solche Meldung zum Anlass nehmen, vor einem Asylbewerberheim zu protestieren? Ein Sprecher der Polizeidirektion Dresden sprach gestern davon, dass Facebook immer häufiger dazu genutzt werden, um mit erfundenen Straftaten gegen Asylbewerber zu hetzen. „Und das Ergebnis sind dann plötzlich Brandanschläge wie auf die noch leeren Asylunterkünfte in Meißen am letzten Wochenende.“
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  22. Auch wenn das im aktuellen Fall so sicher nicht beabsichtigt war, hat der 26-jährige Riesaer nun auch eine Strafanzeige erhalten – wegen der Vortäuschung einer Straftat. Zwar hatte seine Exfreundin die Tat erfunden, er habe sie über das Massenmedium Facebook aber erst öffentlich gemacht. Der 26-jährige zeigte sich gestern gegenüber der Sächsischen Zeitung einsichtig: „Da habe ich wohl einen Fehler gemacht.
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  24. Auch zeigt dieser Fall, dass Facebook-Nutzer im Internet nicht anonym sind. Die Polizei hatte, obwohl der 26-Jährige auf der Internetplattform unter anderem Namen auftritt, den Urheber innerhalb von drei Stunden ermittelt.
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