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Oct 20th, 2016
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  1. Jugend ohne Gott
  2. Eine narzisstische Beobachtung
  3.  
  4. Mein Kopf schlägt gegen das nasse, rostige Geländer, während diese Idioten weiter auf mich eintreten. Jeder Tritt führt mich vorwärts, sollen diese bornierten Wichser sich doch ihre Bugatti-Schuhe mit meinem Blut verschandeln; ich spuck es ihnen extra entgegen – Hurensöhne! Als die Penner nun endlich von mir ablassen, kann ich mir dieses doofe Grinsen nicht aus dem Gesicht wischen, was bin ich für ein verkommener Trottel. Vielleicht bin ich nicht so kapriziös wie ich denke, aber ich werde sicher keine neurechten Vögel Heidegger rezitiere lassen und das dann als eigenwillige Deutung abtun; die haben sich meine harsche Kritik verdient – Fotzen!
  5. Wieso ich jetzt in diesem Kiesbett liege, daran kann ich mich nicht wirklich erinnern; auch scheiß egal.
  6.  
  7. Ich rufe den Krankenwagen. Im Unfallkrankenhaus kommt die Polizei; jaja, ungünstig von der Treppe gestoßen worden; Anzeige gegen Unbekannt. Kahlköpfiger Arzt lamentiert über meine Generation, zu risikobereit, zu drogenaffine – der Spinner soll nicht quatschen. Gibt mir Paras, angenehm hohe Dosis. Ich nehme zwei, doofe Toleranz. Ich promeniere nach Hause, also ich versuche nach Hause zu kommen und laufe ungelenk auf und ab, keine wirkliche Ahnung wohin.
  8.  
  9. Eine Exfreundin ruft an, sie erzählt irgendwas von Adorno, ich konfrontiere sie mit seinen Halbbildungsansätzen, sie fühlt sich gekränkt – dumme Exfreundin. Ich komme langsam etwas runter und suche den Weg nach Hause, ich bin in einem ganz anderen Bezirk, was laufe ich hier rum.
  10.  
  11. Ich sitze in der richtigen Tram, es ist der bekannte Muff, die traurigen Augen des Flaschensammlers streifen mich, mit einer indirekten Bitte nach etwas, was verdammte acht Cent wert ist – ich biete ihm 2€ an, ich kam diesen Abend eh zu günstig weg. Er lehnt ab; wir reden über die Gefahr beim Flaschensammeln, über aggressive Leute, über Snobs, welche von Oben auf ihn herabblicken, über Revierkämpfe etc. Ich sage ihm, wenn er mein Geld nicht annimmt, dann soll er zumindest meine Einladung auf einen Döner annehmen, was er auch tut. Wir reden über Entwicklung unserer Zeit, das Abstumpfen gegen alte, brandtsche Werte und die fortschreitende Verblödung der Studenten. Er erklärt mir, dass er selbst studiert hat, im Osten, was wohl aber nicht so leicht anzuerkennen war nach der Vereinigung. Er konnte mir nicht wirklich sagen, was er studiert hat, aber er schaute mich so vertraut an, solch ein Seelchen lügt nicht – solch ein Seelchen war zu stolz um 2 verdammte Euro anzunehmen. Wir verabschieden uns mit einer Umarmung, er stinkt, aber das ist ok. Ich wünsche ihm noch viel Erfolg und er wünscht mir eine sichere Fahrt. Ich warte jetzt auf die U-Bahn, die in meine Gegend fährt. Ich rufe einen Kumpel an, der hier wohnt. Er fragt mich etwas über Persönlichkeitsdimensionen, ich merke, er schreibt grade eine Hausarbeit. Ich erzähle ihm etwas über Korrelate bei frühen und späten Testungen, über Faktoren und Dimensionen, meine Schmerztabletten gehen langsam zur Neige und das Gespräch geht mir ziemlich auf die Nerven – ich lege auf. Die Bahn fährt ein und illuminiert den durch Graffitis verzierten Schacht. Ich liebe U-Bahnen und die Orte, die sie mir zeigen.
  12.  
  13. In der U-Bahn kenne ich zwei Mädels, beide sind ziemlich betrunken – mit einer hatte ich mal was. Ich hoffe die sprechen mich nicht an, aber ich habe ja nie Glück. Jaja, ich studiere Philosophie, Soziologie und Psychologie. Oh, du findest soziale Arbeit fordernd, verstehe ich. Ja, Foucault kenne ich, nein, ich lese ihn nicht. Ja, ich finde dich auch echt sympathisch. Deine Freundin redet nicht mit mir, weil ich einen schlechten Ruf habe – verstehe. „Du bist ein absoluter Idiot!“, sagt mir ihre unbekannte Freundin, mitten ins Gesicht. Ich lache, ich stelle mich vor, ich gebe meinen Facebooknamen durch und steige aus.
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